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Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 06.07.2007
Aktenzeichen: 3 Sa 1790/06
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 157 |
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juli 2007 durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Vogelsang, den ehrenamtlichen Richter Herrn Wilde, den ehrenamtlichen Richter Herrn Lüs
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 19.10.2006 - 5 Ca 220/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über eine Einmalzahlung gemäß Tarifvertrag über Einmalzahlungen für die Jahre 2005, 2006 und 2007 für den Bereich des Bundes vom 09. Februar 2005.
Die Klägerin ist seit dem 01.04.1988 bei der Beklagten, die bundesweit Einrichtungen des Gesundheitswesens betreibt, als Psychotherapeutin beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält im Hinblick auf die Vergütung folgende Regelung:
"Frau A. erhält ab 01.04.1988 ein Gehalt, das sich aus Grundgehalt und Ortszuschlag in Anlehnung an die Vergütungsgruppe BAT III zusammensetzt."
Mit einem Nachtrag zum Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien unter dem 31.08.1990 eine Höherstufung der Klägerin ab 01.09.1990 nach BAT II b und ab 01.01.1991 nach BAT II a.
In den folgenden Jahren gewährte die Beklagte jeweils die tariflichen Vergütungserhöhungen entsprechend den Tarifverträgen zum BAT.
Im Jahr 2005 wurde für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst im Bereich des Bundes u. a. eine tarifliche Einmalzahlung in Höhe von 300,-- € vereinbart. Diese Leistung erbrachte die Beklagte nicht. Für das Jahr 2006 schloss die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di einen Änderungstarifvertrag zum MTV 1 der P.-Kliniken vom 07./08. Februar 2006, der für das Jahr 2006 eine Einmalzahlung in Höhe von 300,-- € vorsieht.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, soweit der Arbeitsvertrag eine Vergütung "in Anlehnung an den BAT-Tarif" vorsehe, werde hierdurch ein zeitdynamischer Entgeltanspruch nach dieser Vergütungsgruppe begründet. Wenn die Tarifvertragsparteien dann statt einer prozentualen Erhöhung eine Einmalzahlung vereinbarten, handele es sich auch bei dieser Einmalzahlung um die jeweilige tarifliche Vergütung des Arbeitnehmers.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 300,00 EUR brutto nebst 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 23.02.2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Tarifvertrag über Einmalzahlungen für die Jahre 2005, 2006 und 2007 für den Bereich des Bundes sei kein Vergütungstarifvertrag zum BAT, sondern ein völlig eigenständiger Tarifvertrag. Durch die Bezugnahme im Arbeitsvertrag der Klägerin sei keine Bindung an jegliche Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst vereinbart worden.
Durch Urteil vom 19.10.2006 hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 300,-- € nebst 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 23.02.2006 zu zahlen und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Ferner hat das Arbeitsgericht die Berufung zugelassen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen. Das Urteil ist der Beklagten am 09.11.2006 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 20.11.2006 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 23.01.2007 am 23.01.2007 begründet.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Vergütungsfrage sei im Arbeitsvertrag klar und unmissverständlich geregelt, sodass nicht die Möglichkeit bestehe, durch Auslegung eine Vergütungsanpassung zu Gunsten der Klägerin zu erreichen. Es sei keine zeitdynamische Verweisung auf die Regelung des BAT gewollt gewesen. Der Arbeitsvertrag enthalte keine ausdrückliche Jeweiligkeitsklausel, eine solche ergebe sich auch nicht auf Grund einer Auslegung der getroffenen Vereinbarung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 19.02.2006 zum Aktenzeichen 5 Ca 220/06 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 20.03.2007.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung der Beklagten ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 66, 64 ArbGG), 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet, weil das Arbeitsgericht der Klage zu Recht stattgegeben hat.
Die Beklagte ist auf Grund der Regelung unter 5. des Arbeitsvertrages i. V. m. dem Tarifvertrag über Einmalzahlungen für die Jahre 2005, 2006 und 2007 für den Bereich des Bundes vom 09. Februar 2005 verpflichtet, an die Klägerin für das Jahr 2005 eine Einmalzahlung in Höhe von 300,-- € zu zahlen.
1.
Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält einen Verweis auf die Vergütungsregelungen im Bereich des BAT. Dieser Verweis nimmt nicht etwa Bezug auf die zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Arbeitsvertrags geltenden Vergütungstarife, vielmehr handelt es sich um einen dynamischen Verweis. Eine arbeitsvertragliche Formulierung, die die Vergütung "in Anlehnung" an eine bestimmte Vergütungsgruppe des BAT regelt, begründet einen Entgeltanspruch nach der genannten Vergütungsgruppe. Eine solche "Anlehnung" an den Tarifvertrag kann nach dem Wortlaut nur dahin verstanden werden, dass der Vertragspartner als nicht tarifgebundener Arbeitgeber auf ein intern von ihm praktiziertes Vergütungssystem rekurriert, und zwar auf eine Struktur in Anlehnung an den BAT einschließlich seiner Anlagen. Diese Vereinbarung ist dahin auszulegen, dass sich die derart bemessene Vergütung nach dem jeweiligen Tarifstand des BAT richtet (BAG, Urteil vom 13.11.2002 - 4 AZR 351/01 - AP 24 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag = NZA-RR 2003, 330; BAG, Urteil vom 17.01.2006 - 9 AZR 41/05 - AP 40 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag = NZA 2006, 923 m.w.N.). Von einer solchen dynamischen Verweisung ist die Beklagte in der Vergangenheit auch ausgegangen, weil sie bisher stets die tariflichen Entgelterhöhungen im Bereich des BAT umgesetzt hat.
2.
Eine zeitdynamische Verweisung auf einen Tarifvertrag umfasst auch tarifliche "Einmalzahlungen", die an die Stelle einer prozentualen Erhöhung der im Arbeitsvertrag genannten Vergütungsbestandteile treten. Solche Einmalzahlungen stellen nach der tariflichen Systematik keinen "neuen" Vergütungsbestandteil, sondern eine pauschale Erhöhung der laufenden Vergütungsbestandteile dar oder gleichen deren - aus Sicht der Tarifvertragsparteien - verspätete Erhöhung einmalig aus. Sie können nicht anders behandelt werden als die Vergütungsbestandteile selbst (BAG, Urteil vom 09.11.2005 - 5 AZR 128/05 - AP 4 zu § 305 c BGB = NZA 2006, 202).
3.
Die arbeitsvertragliche Verweisung stellt allerdings nicht klar, ob auf die tarifvertraglichen Regelungen für den Bereich des Bundes, der Länder oder der Vereinigung kommunaler Arbeitgeber abgestellt werden sollen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der arbeitsvertraglichen Vereinbarung ergaben sich insoweit keine Unterschiede. Dies änderte sich im Jahre 2005. Tarifvertragliche Einmalzahlungen für dieses Jahr wurden auf Grund des Tarifvertrages über Einmalzahlungen vom 09.02.2005 lediglich für die Arbeitnehmer im Bereich des Bundes sowie der Vereinigung kommunaler Arbeitgeber getroffen, während im Bereich der Länder ein Tarifvertrag über Einmalzahlungen erst am 08. Juni 2006 vereinbart wurde und nur für die Jahre 2006 und 2007. Die Frage, ob ein Anspruch auf die Einmalzahlung für das Jahr 2005 besteht, hängt also davon ab, ob insoweit auf die im Bereich des Bundes oder im Bereich der Länder geltenden Tarifvertragsregelungen des öffentlichen Dienstes abzustellen ist. Ein Bedürfnis für eine Klarstellung bestand bei Abschluss des Arbeitsvertrages nicht. Erforderlich wurde das erst mit dem Auseinanderfallen der entsprechenden tariflichen Regelungen. Hierdurch ist nachträglich eine Vertragslücke entstanden, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist. Die ergänzende Vertragsauslegung auf der Grundlage des § 157 BGB setzt voraus, dass der Vertrag eine Regelungslücke, eine "planwidrige Unvollständigkeit" enthält. Das ist anzunehmen, wenn eine Vereinbarung der Parteien zu einem regelungsbedürftigen Punkt fehlt. Dabei ist unerheblich, aus welchem Grund die Parteien diesen Punkt offengelassen haben, insbesondere ob sie bewusst auf eine Regelung verzichtet haben und ob die Vertragslücke von Anfang an bestanden hat oder sich erst nachträglich als Folge des weiteren Verlaufs der Dinge ergeben hat. Bei der erforderlichen Ergänzung des Vertragsinhalts ist darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten (BGH, Urteil vom 19.06.1980 - III ZR 182/78 - NJW 81, 219; BGH, Urteil vom 20.09.1993 - II ZR 104/92 - BGHZ 123, 281 = NJW 93, 3193; BAG, Urteil vom 11.10.2006 - 5 AZR 721/05 - NZA 2007, 87). Im vorliegenden Fall entstand im Nachhinein eine Vertragslücke, nämlich mit dem Auseinanderfallen der Entgeltzahlungen im öffentlichen Dienst für den Bereich des Bundes und der Länder. Damit ergab sich in diesem Punkt ein Regelungsbedarf. Es ist davon auszugehen, dass die Arbeitsvertragsparteien auf die für den öffentlichen Dienst geltenden Vergütungsregelungen im Bereich des Bundes und nicht der Länder verwiesen hätten, wenn sie ein Auseinanderfahren der entsprechenden Vergütungsregelungen vorhergesehen hätten. Hierfür spricht vor allem der Umstand, dass es sich bei der Beklagten um ein Unternehmen handelt, das bundesweit Einrichtungen betreibt. Bei einem derartigen Arbeitgeber ist davon auszugehen, dass er möglichst unternehmensweit einheitliche Vergütungsregelungen schaffen will. Das gilt auch vor dem Hintergrund der bei Arbeitsvertragsabschluss noch nicht absehbaren unterschiedlichen Vergütungsbeträge für die Arbeitnehmer im Bereich der alten und der neuen Bundesländer. Entsprechende Differenzierungen finden sich nämlich sowohl in den für Bundesbedienstete als auch in den für Landesbedienstete geltenden tariflichen Regelungen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Revision war gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
Ende der Entscheidung
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